Integratives Klettern

„Ich will da rauf!“

Klettern mit Behinderung, ist das überhaupt möglich? Und ob! Der Münchner Verein „Ich will da rauf!“ organisiert Inklusiv-Klettergruppen für alle Altersgruppen. Ein Projekt, bei dem es um viel mehr geht als nur Sport. Die Allianz Kinderstiftung fördert den Verein mit 5000 Euro.

[dropcap type=“3″]D[/dropcap]ominik kämpft. Seine Hände sind feucht, die Muskeln müde, aber er will da rauf – ganz nach oben ans Ende der bunten Kletterwand. Klettertrainerin Christine Geyer hat ihn ständig im Blick, motiviert und unterstützt ihn. „Komm schon, nur noch ein paar Schritte – das packst du“, motiviert sie ihn. Aufgeben kommt für den 15-jährigen nicht in Frage. Mit wackeligen Beinen arbeitet sich Dominik nach oben. Zentimeter für Zentimeter. Oben angekommen, jubeln ihm seine Kameraden vom Boden aus zu. „Hier freut sich jeder für jeden“, erklärt Christine. „Es geht um das Miteinander – gerade das Klettern ist eine sehr soziale Sportart.“

„Ich bin in der Klettergruppe und im Fußballverein – das habe ich meinen Eltern zu verdanken“, berichtet Dominik stolz, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Denn was man dem 15-jährigen erst auf den zweiten Blick ansieht, ist seine schwere Gehbehinderung. „Die Ärzte haben meinen Eltern nach meiner Geburt gesagt, dass ich nie aufrecht sitzen oder gehen können werde“, erzählt er.

Das Klettertraining an dem Dominik jeden Freitag in der Kletterhalle im Münchner Stadtteil Thalkirchen teilnimmt, ist besonders. Es ist eine Inklusions-Klettergruppe des Vereins „Ich will da rauf!“. Mehr als 80 Mitglieder klettern in elf verschiedenen Gruppen des Vereins. Die Gruppen sind bunt gemischt: Ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene – ob mit oder ohne Beeinträchtigung, das spielt keine Rolle. Denn alle trainieren zusammen. „Genau das ist doch Inklusion“, sagt Manfred Bauer, Vorsitzender des Vereins. „Wir wollen die Gruppen nicht separieren – weder nach Alter, noch nach anderen Kategorien.“ Für viele ist das die einzige Möglichkeit sich körperlich zu betätigen und soziale Kontakte zu pflegen.

Es geht um Spaß, Austausch, Bewegung und das Gefühl nicht alleine zu sein. Stupides Training? Konkurrenzdenken? Leistungsabfrage? – Alles Fehlanzeige! „Manch einer schafft in den zwei Stunden Training gerade mal eine Route – aber darum geht es nicht“, erzählt Bauer. „Es geht darum, miteinander eine gute Zeit zu haben.“ Pro Trainer sind sechs Kinder und mindestens zwei ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Der Trainer bestimmt den Ablauf, gibt Tipps und überwacht alle sicherungsrelevanten Schritte – die Helfer unterstützen im Ablauf, sprechen Mut zu oder hören auch einfach mal zu.

Echter Fels inklusive

Der Verein „Ich will da rauf!“ wurde 2009 unter der Schirmherrschaft der Extremkletterer Alexander und Thomas Huber, besser bekannt als die Huber Buam, ins Leben gerufen. Beide sind – wie viele andere ehrenamtliche Mitarbeiter – im Verein aktiv. „Klettern ist eben nicht nur Klettern. Klettern ist ein Zusammengehören“, so Alex Huber. Sein Bruder Thomas ergänzt: „Der Verein soll eine Plattform dafür werden, dass Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen und Freunde das Klettern entdecken und erlernen können.“ Deshalb werden in regelmäßigen Abständen nicht nur Trainings sondern auch Ausflüge an „echten Fels“ organisiert. „Vor zwei Monaten hat uns der Alexander in seine Heimat das Berchtesgadener Land eingeladen“, erzählt Manfred Bauer. „Er ist mit uns in den Klettergarten gefahren und hat uns seine schöne gezeigt – für die Teilnehmer waren das unvergessliche Stunden, die ihnen Kraft und Freude geben“.

Klettern schult Koordination, baut Kraft auf und fordert mentale Stärke – egal mit welcher Konstitution oder Vorbelastung man startet. Was man wirklich für den Sport braucht sind Spaß, Wille und Ausdauer. Nach vielen Jahren Klettertraining kann Dominik auch ohne Krücken gehen – und an der steilen Kletterwand klettert er jedem „normalen“ Kletternovizen davon.